Donnerstag, 27. Oktober 2011

Stichtag: 30.10.1961

50. Jahrestag deutsch-türkischen Anwerbeabkommen



Als Siebenjährige kam Adalet Sal 1977 aus einem kleinen Dorf in Anatolien nach Köln-Nippes. Ihr Vater hatte das Dorf bereits vor Jahren verlassen und arbeitete bei Ford. Er wollte, wie fast alle anderen Migranten auch, nur zwei, drei Jahre nach Almanya, um anschließend in der Heimat ein Haus zu bauen und einen Traktor zu kaufen. 
Kemal Sahin. copyright: migrations-audio-archiv.
Nur drei Jahre später verstarb er plötzlich, und Adalet und ihre Geschwister mussten schnell lernen, auf ihren eigenen Füßen zu stehen. Sie heiratete früh, bekam ein Kind, entdeckte ihre Liebe zur Technik und ist heute selbständige Konstrukteurin bei Ford. Eine Geschichte von einem guten Dutzend, die fünf Jahrzehnte türkisches Migrantenleben in Deutschland abbilden. Ende Oktober 1961 war das deutsch-türkische Anwerbeabkommen abgeschlossen worden, die türkische Regierung wollte Arbeitskräfte exportieren, um Druck von dem Arbeitsmarkt zu nehmen. Für Deutschland war es das vierte Abkommen dieser Art, nach Italien, Spanien, Griechenland. 

copyright: migrations-audio-archiv.


Im Rahmen des 50. Jahrestages des Anwerbeankommens sendet der WDR 5 spezial am 28.10.2011 von 20:05 bis 23:30 Uhr eine Hörnacht zu Migrationsgeschichte. Das migration-audio-archiv initiiert, recherchiert und produziert die Radio ‘Lange Nacht der erzählten migrationsgeschichte’. 
Die Hörnacht wird um das bewährte Format der ‘Miniaturen’ bereichert und dramatisiert werden: zahlreiche akustische Inseln von einigen Minuten Länge, die Text und Stadtklänge, historische O-Töne und Medienzitate uvm. verwenden und verweben.
Produktion: WDR / migration-audio-archiv / +49 221. 9520952 Autor/in: Sefa-Inci Suvak und Justus Herrmann Redaktion: Mark vom Hofe 



Das Stadtmuseum Landeshauptstadt Düsseldorf kooperiert mit dem migration-audio-archiv. Dies geschieht auf der Projektebene zum Thema Migration in den Bereichen Forschung, Ausstellung, Museumspädagogik und Veranstaltung.


Das migrations-audio-archiv:

Das migration-audio-archiv ist ein wachsendes Archiv aus Lebensgeschichten von Einwanderern in der Tradition der Oral History. Weit über 100 veröffentlichte Interviews - mit den Stimmen der Erzählenden selbst - erzählen von den vielen Facetten der Migration: der ersten Generation der Arbeitsmigranten, der sogenannten "Gastarbeiter", die jetzt zwischen 60 und 80 Jahre alt sind, Flüchtlingen, ausländischen Studierenden, die hier geblieben sind, bis zu Umweltflüchtlingen. Menschen zwischen 14 und 90 Jahren erzählen über ihre Reisewege, ihre Erwartungen, Passkontrollen, Heimat, Arbeit, Angst, Glück - eben alles, was ein Menschenleben mit sich bringt.
Sefa Inci Suvak und Justus Herrmann sind die Initiatoren dieses lebendigen Archivs und arbeiten zum Thema Migrationsgeschichte und Erinnerungskultur. Seit 2004 initiieren und führen sie Migrations-Projekte mit Museen, Funkhäusern und anderen Kulturinstitutionen durch. 



Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt zum Thema:

„In den Jahren des "Wirtschaftswunders" machte sich in der Bundesrepublik Deutschland trotz der großen Zahl von Vertriebenen und Auswanderern aus der DDR - besonders nach dem Mauerbau 1961 - ein steigender Bedarf an Arbeitskräften bemerkbar. Daher schloss die Bundesregierung von 1955 bis 1968 mit mehreren Staaten Anwerbeabkommen, darunter 1961 mit der Türkei. Bis Mitte der 1960er Jahre war es allgemeiner Konsens, dass die ausländischen Arbeitskräfte - die "Gastarbeiter", wie sie bald im öffentlichen Sprachgebrauch hießen - nur vorübergehend in Westdeutschland leben und arbeiten sollten. Im Anwerbeabkommen mit der Türkei war die Aufenthaltsdauer auf maximal zwei Jahre festgeschrieben. Da lediglich der Bedarf der Wirtschaft nach Arbeitskräften erfüllt werden sollte, gab es keine Überlegungen oder gar Planungen hinsichtlich einer dauerhaften Ansiedlung der Zuwanderer. Von einigen Spezialisten wie etwa hochqualifizierten türkischen Fachärzten abgesehen, übernahmen die Arbeitsmigranten meist Stellen, für die sich keine Deutschen bewarben. Folglich fand ihr Einsatz in der Gesellschaft allgemeine Zustimmung. Eine mögliche Integration der Arbeiter und eine Auseinandersetzung mit ihrem Herkunftsland, ihren Traditionen und ihrer Religion schien nicht notwendig zu sein, da Arbeitskräfte nur kurzfristig benötigt wurden und im wirtschaftlichen Krisenfall wieder in ihre Heimat zurückkehren sollten. Bereits in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre wurde das Rotationsprinzip - nicht zuletzt auf Betreiben der Wirtschaft, die die Anlernkosten scheute - gelockert. Noch während der Rezession 1966/67 waren zahlreiche ausländische Arbeitskräfte, die ihre Stelle verloren hatten, in ihr Herkunftsland zurückgekehrt. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung kamen sie in die Bundesrepublik zurück. Im Oktober 1973 erließ die Bundesregierung wegen der Ölkrise und dem daraufhin befürchteten wirtschaftlichen Rückgang einen Anwerbestopp. Im selben Jahr hatte die Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern mit rund 2,6 Millionen ihren Höhepunkt erreicht. In den Rezessionsphasen 1974/75 und 1981 bis 1984 kehrten ausländische Arbeitslose jedoch weit seltener in ihre Heimat zurück, weil sie befürchteten, keine abermalige Rückkehrerlaubnis in die Bundesrepublik zu erhalten.
Bis zum Anwerbestopp waren vor allem junge Männer nach Deutschland gekommen. Im Rahmen der Familienzusammenführung ab 1974 begannen die Arbeitskräfte verstärkt, ihre Angehörigen nachzuholen. Damit stieg auch die Aufenthaltsdauer. 2004 lebten mehr als 73 Prozent der Türken länger als zehn Jahre in Deutschland, davon 20,5 Prozent sogar länger als 30 Jahre. Aus "Gastarbeitern" waren de facto Einwanderer geworden. Viele Vertreter der ersten Generation von Arbeitsmigranten blieben im Land - ungeachtet ihres früheren Vorsatzes, in Deutschland rasch Geld zu verdienen, um sich zu Hause eine gesicherte Existenz aufbauen zu können. Oftmals wollten die Kinder und Enkelkinder nicht zurück in die Türkei, und so blieben auch die Älteren bei den Familien in Deutschland.“

Quelle: 

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat zum 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens eine Publikation herausgegeben.Online ist sie zu finden unter:

Dienstag, 11. Oktober 2011

Napoleon [...] Düsseldorf

Es ist geschafft! Die Ausstellung Napoleon [...] Düsseldorf wurde am Freitag feierlich eröffnet.

Vom 2. bis zum 5. November 1811 besucht Kaiser Napoleon I. Düsseldorf. Anlässlich des 200. Jahrestages seiner Visite zeichnet die Ausstellung die Auswirkungen der napoleonischen Weltpolitik im Rheinland nach. Es erlebt in der Zeit der napoleonischen Herrschaft große Veränderungen in politischen und gesellschaftlichen Fragen. Im Jahr 1806 gerät das rechte Rheinufer unter französischen Einfluss durch die Gründung des Großherzogtums Berg, einem Satellitenstaat Frankreichs. Seine Hauptstadt wird Düsseldorf, regiert wird von Paris aus. Die Grundlagen der Stadtentwicklung werden zwischen 1801 und 1811 gelegt. Napoleons nach seinem Besuch erlassenes Stadtverschönerungsdekret gibt die Richtung vor, die bis heute das Stadtbild prägt. Mit der Gründung des Großherzogtums sind zunächst Modernisierungen verbunden, die das Rechtssystem, die Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung betreffen. Berührt werden Fragen des alltäglichen Lebens (Handel, Verkehr), des Rechts (Code civil, seine praktische Anwendung und Nachwirkungen in preußischer Zeit), der Bildung und der Religion.
Bernhard von Guérard (1771 - 1836) nach François Gérard (1770 - 1837), 1812
Napoleon I. Öl auf Leinwand, Stadtmuseum Landeshauptstadt Düsseldorf
(SMD.B 65.STA.)
Napoleon zog hoch zu Roß durch den an der Elberfelder Straße eigens für seinen Besuch vom 2. bis 5. November 1811 aufgestellten Triumphbogen. Auf ihm war in lateinischer Schrift zu lesen: "Dem göttlichen Napoleon, dem großen Kaiser und König, dem unüberwindlichen Sieger und Beschützer der Völker."
Johann Petersen, Einzug Napoleons in Düsseldorf am 02. November 1811, um 1811, Aquarell, Stadtmuseum Düsseldorf (SMD.C 2629).
Napoleons Aufenthalt in Düsseldorf veranschaulicht, in welcher Weise der französische Herrscher Politik betreibt und die Verwaltung in der Provinz beeinflusst und formt. Das für die damalige Bevölkerung drückendste Thema ist das Militär mit seinen verschiedenen Aspekten: Rekrutierung, Kriegsdienst, der Tod der Soldaten - und der Widerstand gegen den Militärdienst durch Desertion und Kriegsdienstverweigerung.

Die Lasten der permanenten Kriege sind das für die damalige Bevölkerung drückendste Thema. Eine Wehrpflicht wird eingeführt. Schon das Fehlen der Soldaten schädigt die auf deren Arbeitskraft angewiesenen Familien. Verstümmelung und Tod von Soldaten sind schrecklicher Alltag. Deshalb gibt es starken Widerstand in Form von Desertion undKriegsdienstverweigerung. Auch die zivilen Lasten des Militärapparates wiegen schwer und führen zu Aufständen. Napoleon Bonaparte hat seine Macht auch auf die Kraft von Bildern und Symbolen gegründet. Seine Bildpropaganda ist umfangreich und so erfolgreich, dass sie bis heute nachwirkt, aber auch zu Widerspruch reizt. Vor allem die aus der Sammlung des Stadtmuseums stammenden 50 Karikaturen unterlaufen das von Napoleon selbst geschaffene Heldenimage.
Napoleon Karrikatur.
Unbekannter Künstler, Triumph des Jahres 1813. Den Deutschen zum Neuenjahr, 1813
Kolorierte Radierung, Stadtmuseum Düsseldorf (SMD.D XIII-2).
In diesen Komplex gehören auch die Auswirkungen der von der Bevölkerung zu tragenden Finanzierung von Napoleons Kriegen und die gegen England gerichtete Kontinentalsperre. Proteste gegen die Kriegslasten münden schließlich in Aufstände gegen die nunmehr verhassten Franzosen. Zwischen 1795 und 1813 wandeln sich die gesellschaftlichen Verhältnisse ebenso wie die Gestalt der Stadt Düsseldorf. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Skizzierung des Besuches Napoleons vor 200 Jahren: wie er die Stadt inspiziert und von seinem Schreibtisch im Schloss Jägerhof sein Reich regiert. Erstmalig ausgestellt wird das für die Stadtentwicklung Düsseldorfs bedeutende Dekret Napoleons über die Verschönerung der Stadt. In ihm wird die Anlage eines Grüngürtels auf dem Terrain der ehemaligen Festungsanlagen angeordnet, eine Entscheidung mit Auswirkungen bis in die Gegenwart.
Denis Antoine Chaudet (1763 - 1810) Napoléon, 1810/20
Gips, Stadtmuseum Düsseldorf (SMD.P 206)
Die Ausstellung wurde zusammen mit Keyworkern und unter Beteiligung von Künstlerinnen und Künstlern des Malkastens erarbeitet.  Exemplarisch seien hier die Arbeiten von Ulrike Zilly erwähnt.
Werke von Ulrike Zilly (Foto: Jürgen Prokolm).
Unser vielfältiges Programm zur Ausstellung ist in unserem Programm - ganz im Zeichen der Napoleonausstellung - nachzulesen. Im Museum kann es kostenlos mitgenommen werden.
Napoleon [...] Düsseldorf


Erste Presseberichte zu Napoleon [...] Düsseldorf gibt es hier: