Die
Schülerinnen und Schüler
Die besondere Situation der
Schule, der Eltern und Kinder im nationalsozialistischen Düsseldorf führte
dazu, dass die Schülerschaft sehr heterogen zusammengesetzt war: Kinder aus
ärmeren Familien lernten mit Kindern aus wohlsituierten Familien zusammen;
streng religiös erzogene Schüler gingen mit säkularen Schülern in dieselbe
Klasse; Söhne und Töchter aus assimiliertem deutsch-jüdischen Hause besuchten
die Schule ebenso wie Kinder und Jugendliche, deren Vorfahren aus Osteuropa
zugezogen waren und einen anderen kulturellen Hintergrund hatten. Gemeinsam war
ihnen allen, dass sie und ihre Eltern von der nationalsozialistischen
Gesellschaft, die sich selbst als „Volksgemeinschaft“ definierte, ausgegrenzt
und als Angehörige einer „fremden Rasse“ verfolgt und diskriminiert, beraubt
und vertrieben, misshandelt und später ermordet wurden. So wurde die Schule für
alle Beteiligten zu einer wichtigen Institution des Zusammenhalts und der
Gemeinschaft in einer Zeit der Not.
Die Schule hatte zunächst sechs,
später acht Klassen. 1936 und 1937 konnten schließlich das neunte und dann auch
das zehnte Schuljahr eingeführt werden. Die Schülerschaft wuchs zunächst
schnell, weil auch Eltern aus umliegenden Städten am Niederrhein oder im
Bergischen Land ihre diskriminierten und ausgegrenzten Kinder nach Düsseldorf
in die Kasernenstraße schickten. Später kamen Schüler hinzu, die aus einer so
genannten „Mischehe“ stammten, also nur einen jüdischen Elternteil hatten und nicht
mehr am „deutschen Schulunterricht“ zusammen mit „rein arischen“ Schülern
teilnehmen durften.
Vor allem aber durch Flucht und
Emigration schwankte die Anzahl der Schülerinnen und Schüler ganz erheblich:
Bei der Gründung der Schule (1935) waren es 210 Kinder und Jugendliche, schon
im Folgejahr 384, bei Kriegsbeginn 1939 jedoch nur noch 66. Diese Zahl
verkleinerte sich dann noch einmal auf 55 (1940) und schließlich 42 (1941).
Zahlreiche Kinder konnten in der Zeit zwischen dem Novemberpogrom 1938 und dem Kriegsbeginn
im September 1939 von ihren Eltern mit einem „Kindertransport“ nach
Großbritannien oder zu Verwandten in andere Fluchtländer geschickt und so
gerettet werden. In ihren Erinnerungen wird die jüdische Volksschule
überwiegend positiv beschrieben: als zentrale Zwangs- und
Schicksalsgemeinschaft, aber auch als ein verlässlicher und lebendiger Ort des
Lernens.
Wie viele ehemalige Schülerinnen
und Schüler der jüdischen Volksschule bis 1945 Opfer des Holocaust wurden, ist
nicht genau zu ermitteln: Auch diejenigen, die sich nach ihrer Emigration –
beispielsweise nach Belgien, Frankreich, Polen oder in die Niederlande – an
halbwegs sicheren Orten wähnten, wurden nach der deutschen Besatzung vielfach
verhaftet und in die Vernichtungslager deportiert. Viele Schüler der jüdischen
Volksschule an der Kasernenstraße haben den Holocaust nicht überlebt.
Die Lehrerinnen und Lehrer
Leiter der jüdischen Volksschule
war zunächst der 1903 in Offenbach geborene Dr. Kurt Herz. Er hatte an der
Universität in Frankfurt am Main promoviert und war als Studienreferendar und
Studienassessor an höheren Schulen in Gießen, Mainz und Offenbach tätig. 1929
wurde er an die Universität Berlin berufen. Dort unterrichtete er zugleich am
Kaiser-Friedrich-Realgymnasium in Berlin-Neukölln als Lehrer, wurde 1933 als
Jude jedoch aus dem Staatsdienst entlassen und kam zwei Jahre später nach
Düsseldorf.
Laut Kurt Herz sollte die Schule
„im wahrsten Sinne des Wortes Gemeinschaftsschule“ sein und „vor allem
Erziehungsgemeinschaft“. Die Lehrer, so Herz, sollten den „Kindern zugleich
Freunde und Berater sein und ihnen auch den Weg ins Leben zeigen“. Sie seien
dafür zuständig, bei den Kindern eine jüdische Identität zu festigen und sie
zugleich auf die Herausforderungen vorzubereiten, die beispielsweise eine
Emigration mit sich brächte. Damit war eines der Erziehungsziele klar benannt:
Vor dem Hintergrund einer sich immer mehr zuspitzenden antisemitischen Politik
der Nationalsozialisten behielten die Lehrerinnen und Lehrer die Entwicklungen
in Deutschland realistisch im Blick, den Kindern hingegen wollten sie neben den
Unterrichtsinhalten auch eine harmonische Insel ermöglichen und einen Ort der
Sicherheit und des Gemeinschaftsgefühls aufbauen. Nachdem Dr. Herz in Folge des
Novemberpogroms in das Konzentrationslager Dachau verschleppt und nach vier
Wochen wieder entlassen wurde, emigrierte er im Februar 1939 zusammen mit
seiner Frau nach England. Sein Nachfolger wurde der Pädagoge Kurt Schnook. Im
November 1941 wurde dieser von Düsseldorf in das Ghetto Minsk (Weißrussland)
deportiert und dort ermordet.
Das kleine Kollegium war
vielfältig tätig, seine Mitglieder waren aus ganz unterschiedlichen
Zusammenhängen an die Schule gekommen: Dr. Ellen Herz (1935-1939), die
Handarbeit und Hauswirtschaft unterrichtete; Kurt Schnooks Ehefrau Theresia
unterrichtete Englisch. In den Jahren 1938 und 1939 verließen einige Lehrer
Düsseldorf oder emigrierten direkt nach England, Belgien oder Palästina: Grete
Eichelberg, Erna Friedländer (Naturwissenschaften und Deutsch), Julius
Kleinmann (Mathematik und Sport), Dr. Ruth Nussbaum (Englisch und Französisch),
Dr. Beatrice Strauss (Sprachen und Landeskunde) oder Werner Weiss
(Werkunterricht). Der Rabbiner Dr.
Siegfried Klein, der seit 1919 in Düsseldorf amtierte, unterrichtete die Kinder
in Religion, bereitete sie auf ihre Bar- oder Bat Mitzwa-Feiern vor und las mit
ihnen aus der Thora. Im Oktober 1941 wurde er in das Ghetto Litzmannstadt
(Łodz) deportiert und 1944 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet.
Leopold Vogel, der zugleich seit 1924 auch Kantor der Jüdischen Gemeinde war
und in der Synagoge vorsang, und Erwin Palm waren Musiklehrer in der
Volksschule. Beide wurden 1941 in das Ghetto Minsk verschleppt. Zu den prägenden Persönlichkeiten des Kollegiums
gehörte auch der 1911 geborene Pädagoge Dr. Kurt Bergel. Er war in Frankfurt am
Main aufgewachsen und hatte das dortige Wöhler-Realgymnasium besucht. In
Frankfurt und Berlin hatte er studiert, bevor er nach Düsseldorf kam. Hier
unterrichtete er Englisch, Geschichte, Deutsch und Hebräisch. Kurt Bergel
konnte im Februar 1939 nach London emigrieren. Er studierte später in Berkely
(USA) und wurde Professor an der Chapman University in Orange. Bergel starb im
März 2001. Der Maler Julo (Julius) Levin trat
dem Kollegium 1936 bei und leitete als Zeichenlehrer den Kunstunterricht.
Julo Levin. Stadtmuseum Landeshauptstadt Düsseldorf (SMD.F 10847). |
Heute veröffentlichen wir die 7. und letzte Kategorie:
Stadtlandschaft
Objektbeschreibung: Kunstunterricht Julo Levin Düsseldorf, Private Jüdische Volksschule, 1936 - 1938. Samuel M., geboren am 2. September 1925, war der Sohn von Israel und Rebekka M., geborene K., die aus Polen stammten. Sami
M. ist am 31. März 1939 mit seinen Eltern von der Keplerstraße 14 in
Düsseldorf nach Amerika emigriert. Zuvor wohnte die Familie in der
Talstraße 100 und ab dem 7. November 1933 in der Adersstraße 76.
Objektbeschreibung: Kunstunterricht Julo Levin Düsseldorf, Private Jüdische Volksschule, November 1936. Ingeborg
Straus, geboren am 24. September 1923, war die Tochter von Leo, geboren
am 24. August 1895 im hessischen Gedern, und Else Straus, geborene
Rösche, geboren am 6. September 1895 in Berlin, und die
Zwillingsschwester von Gisela. Die Zwillinge hatte noch einen jüngeren
Bruder: Rudi Straus, geboren am 19. Februar 1927 in Krefeld. Die
gesamte Familie emigrierte am 21. Juni 1938 in die USA und zog nach
Detroit, wo ein Bruder Leo Straus¿, Hugo, lebte. Inge heiratete 1942
Oscar Kramer. mit dem sie fünf Kinder hatte. Sie lebte bis zu ihrem Tod
in der Gegend von Detroit, wo sie sehr aktiv in der jüdischen
Gemeinschaft war. Zusammen mit ihrem Bruder Rudi arbeitete sie als
Immobilienkauffrau. Sie ist 2009 gestorben.
Objektbeschreibung: Kunstunterricht Julo Levin Düsseldorf, Private Jüdische Volksschule, Juli 1937. Ruth
Franziska F. wurde am 24. September 1922 in Solingen geboren. Zusammen
mit ihrem Bruder Gerd (*1925) besuchte sie die jüdische Volksschule in
Düsseldorf. Ihr Vater war Hermann F. - er hatte Anfang der
1920er-Jahre Minna S. geheiratet und mit ihr die Kinder Ruth Franziska
und Gerd Adolf. Die Familie F. lebte in Solingen in einer gutbürgerlich
eingerichteten Sechs-Zimmer-Wohnung. In der jüdischen Gemeinde Solingens
fungierte Hermann F. seit 1937 als stellvertretender Vorsteher der
Synagogengemeinde. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Minna am 4.
September 1938 heiratete Hermann F. am 18. April 1940 Helene S. Diese
hatte seit 1939 als Hausmädchen im Haushalt der Familie gearbeitet.
Ruth F. gelang es im Juli 1938 in die USA auszuwandern. Ihr Vater, ihr Bruder und ihre Stiefmutter wurden am 27. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert. Sie haben nicht überlebt. Ruth F. erlernte den Beruf der Friseurin. 1946 heiratete sie und lebte 1990 als Ruth H. in New York, USA.
Ruth F. gelang es im Juli 1938 in die USA auszuwandern. Ihr Vater, ihr Bruder und ihre Stiefmutter wurden am 27. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert. Sie haben nicht überlebt. Ruth F. erlernte den Beruf der Friseurin. 1946 heiratete sie und lebte 1990 als Ruth H. in New York, USA.
Objektbeschreibung: Kunstunterricht Julo Levin Düsseldorf, Private Jüdische Volksschule, November 1937. Gert
Meyer, der am 22. Januar 1924 geboren worden war, war der Sohn der
Eheleute Max, geboren am 28. Juli 1879 in Halberstadt, und Irma Meyer,
geborene Perlhefter, geboren am 1. Januar 1891 in Mährisch-Ostrau. Seine
älteren Brüder Hans (geboren 1919) und Paul (geboren 1921) wurde in
Düsseldorf geboren. Am 23. September 1933 verzog die Familie nach
Potsdam. Vom 16. August 1934 bis zum 14. April 1938 lebten sie wieder
in Düsseldorf, dann meldeten sie sich nach Amsterdam ab. Gert
wurde am 11. Juni 1941 mit seinem Bruder in Holland verhaftet und im
Judendurchgangslager Westerbork interniert. Von dort wurden sie in das
KZ Mauthausen deportiert. Sein Bruder Hans wurde bereits am 6. Oktober
desselben Jahres in Mauthausen ermordet, Gert am 10. Juli 1942.
Objektbeschreibung: Kunstunterricht Julo Levin Düsseldorf, Private Jüdische Volksschule, Zeit unbekannt. Alfred
Ludwig F. geboren am 28. Juli 1923, war der Sohn von Emanuel F.,
geboren am 31. März 1888 in Marktheidenfeld, und dessen Ehefrau Henriette F., geborene S., geboren am 9. Januar 1891 in Sontra. Die
Familie wohnte in der Horst-Wessel-Straße 60 (Kölner Straße) und wurde
am 27. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert.
Alfred starb dort am 28. Mai 1942.
Alfred starb dort am 28. Mai 1942.
Objektbeschreibung: Kunstunterricht Julo Levin Düsseldorf, Private Jüdische Volksschule. Günther
Cahn wurde am 17. August 1925 in Düsseldorf als zweites Kind der
Eheleute Hermann und Johanna Cahn, geb. Herz, geboren. Sein Vater
stammte aus Beckrath bei Rheydt, seine Mutter aus Düsseldorf. Sein
Bruder Helmut war am 25. August 1923 in Düsseldorf zur Welt gekommen. Die
Familie wohnte auf der Bilker Allee 136. Später zogen sie um in die
Martinstraße 73. Nach der Pogromnacht 1938 beschlossen seine Eltern,
Günther und seinen Bruder mit einem Kindertransport nach Großbritannien
zu schicken. Günther Cahn verließ Düsseldorf am 27. März 1939. Während
des Krieges wurde er als "feindlicher Ausländer" von Großbritannien nach
Kanada deportiert. Dort lebt er auch heute noch. Seine Eltern wurden am
10. November 1941 in das Ghetto von Minsk deportiert und dort ermordet.
Objektbeschreibung: Kunstunterricht Julo Levin Düsseldorf, Private Jüdische Volksschule, April 1937 und vorher. ---
wurde am 6. Februar 1923 als Kind des ostjüdischen Ehepaars --- und
---, geborene ---, in Polen geboren. Ihr Bruder --- kam am 11. August
1924, ihre Schwester --- am 17. Dezember 1925 in Glogow, Galizien, zur
Welt. In Düsseldorf wohnte die Familie --- in der Harkortstraße
13. Nach den Ereignissen der Pogromnacht 1938 entschloss sich die
Familie zur Flucht nach Belgien. Im März 1939 konnten sie dorthin
einreisen. --- und ihr Bruder --- konnten 1940 nach Palästina weiter
emigrieren.
Objektbeschreibung: Zeichenunterricht Julo Levin Düsseldorf, Private Jüdische Volksschule, 6. Schuljahr, 1937. Margot
wurde 1926 in Mannheim als Tochter des Kaufmanns Arthur Alexander und
dessen Frau Rosita, geborene Marx, geboren. 1928 zog die Familie nach
Düsseldorf. Margot besuchte die Jüdische Schule in der
Kasernenstraße bis 1938. Nachdem die Schule in der Pogromnacht 1938
zerstört worden war, zog Margot mit ihrer Mutter zu den Großeltern nach
Königheim in Baden. Im September 1939 mussten alle jüdischen Bürgerinnen
und Bürger in Königheim in ein sogenanntes "Judenhaus" ziehen. Am
20.Oktober 1940 wurde Margot mit ihrer Mutter nach Frankreich in das
Lager Gurs in Südfrankreich deportiert. Sie verbrachten dort ungefähr
fünf Monate bis sie nach Marseille reisen durften, da ihre
Auswanderungspapiere für Amerika vorlagen. Die tatsächliche
Emigration gelang im Juli/August 1941. Margot reiste mit ihrer Mutter
über Spanien nach Lissabon. Von dort legten sie eine 37 Tage dauernde
Schiffsreise nach New York zurück. In New York besuchte Margot
Alexander die Mittelschule und arbeitete dann als Büroangestellte. Sie
heiratete und lebt heute als Margot Gold in den USA.